Rheinischer Präses kritisiert weltweite Ausbeutung durch Mächtige

Thorsten Latzel stellt Unterdrückte in Fokus seiner Pfingstbotschaft

Düsseldorf/Odenthal. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel, richtet zum Pfingstfest den Blick auf die Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen durch die Mächtigen dieser Welt. An Pfingsten setze Gott dem seinen ganz anderen Traum von der Menschheit entgegen: einen, an dem alle teilhaben.

„In der Geschichte vom Turmbau zu Babel (1. Mose 11,1-9) kommt Gott nicht so wirklich gut rüber“, sagt Thorsten Latzel, der überdies am Pfingstmontag im Altenberger Dom in Odenthal predigen wird. Schließlich habe er den von den Menschen mühselig aufgebauten Turm zu Babel einfach zerstört. „Das passt eher zu einem pubertierenden Jugendlichen, als zum souveränen Schöpfergott“, so Latzel. Dabei habe das Handeln Gottes ganz andere Gründe gehabt, die aktueller denn je seien. Der Turm für Babel stehe für Unterdrückung und Ausbeutung, die es noch immer weltweit gebe.

Bau der Stadien für WM 2022 als aktuelles Beispiel

„Der Schlüssel zu der Geschichte liegt in der Ortsangabe Babel. Tatsächlich spiegelt sich hier die Gewalterfahrung der Israeliten damit, was es heißt, einen Weltenturm zu bauen“, erläutert der Präses. Denn der Herrscher des neubabylonischen Großreiches, Nebudkadnezar II., habe im 6. Jahrhundert vor Christus Völker unterworfen, Menschen deportiert und ausgebeutet. „Der Turm von Babel war Symbol einer grausamen, imperialen Herrschaft.“ Darin liege die Pointe der Geschichte: „Der große ,Menschheitstraum‘ ist in Wahrheit allzu oft der blutige Traum weniger Mächtiger auf Kosten vieler anderer, auf deren Ausbeutung.“ Der Bau der Fußballstadien für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar, bei dem bisher mehr als 6000 Arbeiter starben, lasse grüßen.

Turm als Ausdruck einer gnadenlos geschichteten Gesellschaft

Die harte Arbeit der unterdrückten Israeliten in Ägypten wie in Babylon sei ein Sinnbild der Knochenarbeit, für die auch in Deutschland meist Menschen aus anderen Ländern ranmüssten. „Gott tritt also nicht der kulturellen Selbstverwirklichung des Menschen entgegen, sondern einem imperialen Turm-Denken.“ Der Turm sei hier architektonischer Ausdruck einer gnadenlos geschichteten Gesellschaft: von den Eliten in den obersten Etagen bis hin zu beispielsweise Reinigungskräften „ganz unten“. „An Pfingsten setzt Gott dem seinen ganz anderen, horizontalen Traum entgegen. Einen Traum, an dem alle teilhaben.“ Menschen in den Gemeinden hätten seitdem immer wieder erfahren, dass Mächtige und Knechte gemeinsam am Tisch Christi platznehmen.  „Wir haben Teil an diesem Traum Gottes, in dem jeder ,unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen‘ soll und niemand den anderen ,schrecken‘.“ (Micha 4,4).

Predigt an Pfingstmontag im Altenberger Dom

Zum Pfingstfest predigt Präses Latzel am Pfingstmontag, 24. Mai 2021, im Altenberger Dom in Odenthal. Die „Geistliche Musik mit Segensgebet“ beginnt um 14.30 Uhr. Der gotische Altenberger Dom ist die ehemalige Abteikirche des Zisterzienserordens. Vor mehr als 160 Jahren ist der „Bergische Dom“ nach Säkularisation und Zerstörung, unter der Bedingung einer simultanen Nutzung – als durch protestantische wie auch römisch-katholische Christinnen und Christen –, wiederaufgebaut worden. Seitdem ist der Altenberger Dom die Gemeindekirche der evangelischen Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen.

  • 21.5.2021
  • Andreas Attinger
  • ekir.de/Dominik Asbach